GAG160: Barbareskenstaaten und die europäischen Seemächte

Wir springen zurück in die Frühe Neuzeit und beschäftigen uns diese Woche mit Piraterie, Kaperei und Sklavenhandel. Während die europäischen Seemächte den Seehandel, und insbesondere den transatlantischen Sklavenhandel, immer weiter ausbauten, wurden ihre Schiffe von den Barbaresken-Korsaren der nordafrikanischen Küste bedroht. Denn die kaperten die Schiffe und versklavten die Besatzung.

Als Gegenmaßnahmen richteten die europäischen Seemächte zB. Versicherungen ein, sog. Sklavenkassen, oder schlossen tributgestützte Verträge. Die Bittbriefe der Gefangenen und die Berichte der Zurückgekehrten prägten in der Folge das negative Bild, das sich bei den europäischen Seemächten von den islamisch geprägten Reichen verbreitete.

Ein Rückkehrer war Hark Olufs, der nach 12 Jahren Gefangenschaft wieder nach Amrum kam. Sein Grabstein, auf dem seine Lebensgeschichte erzählt wird, ist ein vielbesuchtes Kulturdenkmal auf Amrum.

Hark Olufs Grabstein
Der Grabstein von Hark Olufs auf Amrum.

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12 Replies to “GAG160: Barbareskenstaaten und die europäischen Seemächte”

    • Daniel

      Vielen Dank für das Lob!
      Hier sind ein paar Literaturtipps, die ich zur Vorbereitung verwendet habe:

      Sehr ausführlich und empfehlenswert: Das Buch „Zwischen Sklavenkassen und Türkenpässen. Nordeuropa und die Barbaresken in der Frühen Neuzeit“ von Magnus Ressel (https://www.degruyter.com/view/product/182088). Hilfreich fand ich auch noch folgende Aufsätze:

      Rheinheimer, M. (2014). Identität und Kulturkonflikt. Historische Zeitschrift, 269(1), S. 317-370.
      Magnus Ressel: Zwischen Sklavenkassen und Türkenpässen. Die nordeuropäische Seefahrt im Zeichen der Barbareskengefahr, in: discussions 5 (2010).
      Magnus Ressel: Hamburg und die Niederelbe im atlantischen Sklavenhandel der Frühen Neuzeit
      Almut Hinz: Die „Seeräuberei der Barbareskenstaaten“ im Lichte des europäischen und islamischen Völkerrechts

  1. Gerhard

    Wie wurde die Geschichte von Hark Oluf denn bis jetzt gerettet? Hat er selbst ein „Tagebuch“ geführt über die 12 Jahre? Ich meine, weil er seine Erlebnisse dort in Europa ja nicht wahrheitsgemäß wiedergeben konnte. Oder verstehe ich das falsch?

    • Daniel

      Unser Wissen über ihn und seine Geschichte beruht vor allem auf seiner Autobiographie, der er Jahre nach seiner Rückkehr veröffentlicht hat. Ob sie auf Aufzeichnungen beruht, die er währenddessen gemacht hat, weiß ich gar nicht. Aber es ist definitiv ein Text, der als Quelle kritisch zu hinterfragen ist.

  2. Jule

    Das war wirklich sehr cool, mit den ganzen Querverbindungen. Und natürlich total absurd aus heutiger Sicht, dass Europäer fangen und versklaven barbarisch ist, aber Afrikaner versklaven ein legitimes Geschäft.
    Schade, dass ich damals als Kind zur Lungenkur auf Amrum zu jung war, um diesen interessanten Stein gesehen zu haben. Da hätte man doch eine spannende Geschichte erzählen können. Wie beim Nesthäkchen die alte Dame mit den Gruselgeschichten 😉 Wenn Du nicht aufpasst, klauen Dich die Barbaren vom Schiff…

  3. Alex

    Super Folge. Was mir beim Zuhören so gekommen ist, dass auch ‚Robinson Crusoe‘ von seiner Verschleppung berichtet. Und die Sklavenkasse, nun die Versicherung gibt es heute noch also K&R Insurances (kidnap and ransom), wird gerne von Reedereien und Unternehmen abgeschlossen deren Mitarbeiter in weniger sicheren Gegenden unterwegs sind.

  4. Emre Aztekin

    Hallo Richard, Hallo Daniel,
    bin grade dabei diese Folge zu hören und wollte auf den Raubzug der Korsaren auf Island eingehen. Habe ein Buch dazu gelesen (The Travels of Reverend Ólafur Egilsson) , weiß nicht in wie weit Ihr euch damit nach der Folge noch beschäftigt habt aber gemeint ist der Feldzug der Korsaren 1627 in Island. Ich verlinke euch mal das Buch auf Google Books:

    https://books.google.de/books?id=hsC9DwAAQBAJ&dq=%C3%B3lafur+egilsson+tyrkjar%C3%A1ni%C3%B0&hl=de

    ist sehr informativ und spannend.

  5. P. Paul

    „Auch die österreichische Marine war beteiligt im Kampf gegen die Barbaresken“ „im Jahr 1829 gabs eine Expedition gegen Marokko wegen eines gekaperten österreischischen Handelsschiffs“ – „ich weiß nicht, was dabei passierte – 1830 war ja die Geschichte der Barbaresken vorbei“

    Coincident? 😉

    Gratuliere dem Daniel mal wieder für eine wirklich interessante und spannende Folge!
    Deine ausgesuchten Themen sind ja manchmal recht…nennen wir es mal „diffizil“.
    Aber diesmal hast Du mich von Anfang bis Ende „abgeholt“! Weiter so!

  6. Janos

    Auch in „Doktor Doolittle“ von Hugh Lofting gibt es den „Drachen der Barberei“, einen gar schröcklichen Kapitän, der am Ende naturgemäß von den Tieren zu einem bäuerlichen Leben auf einer Insel gezwungen wird…

  7. Matthias

    Bin ein Fan eurer Serie und auf meiner Reise von Folge 1 jetzt bei 160 angekommen.

    Aber hier bin ich ehrlich gesagt erstaunt über den bias dieser Folge: dass der transatlantische/europäische Sklavenhandel ein Verbrechen war, ist klar. Aber der orientalische/muslimische Sklavenhandel „hat leider ein schlechtes Licht auf die orientalische Kultur geworfen“ Das ist alles?

    Hark Olufs wurde gefangen, verschleppt, versklavt, musste konvertieren um sich aus der Situation 12 Jahre herauszuarbeiten (was wohl wenigen gelang) und dass größte Problem soll es dann sein, ob er nach seiner freiwilligen Rückkehr wirklich „freiwillig“ Christ wurde oder blieb?

    Von neutral oder ausgewogen ist das leider weit entfernt….

  8. Markus

    Sehr gute Episode. Bin gerade dabei mich recht ungeordnet durch alle Folgen zu hören. Diese hier ist wirklich aufgrund der ganzen Querverbindungen herausragend. Möglicherweise liegt das auch an der Geographie Nordafrikas (oder des Maghreb – so die Eigenbezeichnung). Das Mittelmeer – von den Römern mare nostrum genannt – ist eben auch zu dieser Zeit ein Dreh- und Angelpunkt des Handels und Wandels.
    Was vielleicht noch ergänzt werden kann: schon lange vor der Gründung dieser sogenannten Barbareskenstaaten gab es Raub- und Plünderungszüge ausgehend von Tunis, Algier und der nordafrikanischen Küste. In Italien wurden diese Invasoren oft auch als Sarazenen bezeichnet. Sie gründeten später sogar Stützpunkte auf französischem und italienischem Festland und griffen auch einige Male Rom an. Das Emirat von Garigliano wäre übrigens auch mal eine eigene Folge wert.
    Außerdem: das Ende der Barbareskenstaaten ist bei euch leider etwas zu kurz gekommen. Möglicherweise aus Zeitgründen? Die Tatsache, dass die USA, die selten einen Krieg auf ihrem eigenen Territorium erlebte, zu allererst in Nordafrika sich einmischte – das war sozusagen die allerbeste außenpolitisch-militärische Amtshandlung dieser Nation – und das Interesse an der Region nie ganz verlor, wird den Vereinigten Staaten noch heute Übel genommen in Nordafrika und der arabischen Welt. Die Invasionen der USA in der neuesten Geschichte in Libyen, die zum Sturz Gadaffis führte, und vorher der Krieg im Irak, werden im Nahen Osten und im Maghreb bis heute sehr oft vor diesem historischen Hintergrund gelesen. Zumal ihr ja auch richtigerweise darauf hingewiesen habt, dass in den letzten Jahrhunderten der Existenz dieser Barbareskentaaten die Gefahr, die real von ihnen ausging immer kleiner wurde und die Angriffe allmählich gegen null gingen. Es ging auch lange nicht mehr um territoriale Herrschaftsansprüche. Was dann im 19. und 20. Jh. folgte war die Kolonisation Nordafrikas durch Frankreich, Italien und teilweise England und der eben erwähnte Einmarsch US-amirikanischer Truppen in Libyen 2014. Die Mär von der islamistischen Bedrohung dient also bis heute als Begründung für koloniale und postkoloniale Angriffskriege.

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