GAG340: Tauben, die Raketen steuern und Kybernetik
In den 1940er-Jahren entwickelte B.F. Skinner, der Begründer des Radikalen Behaviorismus, die Idee, Raketen mit Hilfe von Tauben zu steuern. Die Tauben sollten vorne in der Kapsel sitzen, auf einen Bildschirm mit Sensoren picken und so die Rakete auf Kurs halten. Zeitgleich arbeitete ein amerikanischer Mathematiker an einem Konzept, das unser Verständnis von Maschinen und wie wir mit ihnen umgehen, revolutionieren sollte.
Wir sprechen in der Folge über operantes Konditionieren, die Skinner-Box und die Anfänge der Kybernetik.
Vielen Dank an Christiane Attig, die uns in dieser Folge als Expertin unterstützt hat. Sie macht ua. die Podcasts Brainflicks und Science S*heroes.
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Hallo aus Stuttgart,
Ich freue mich jedes mal über eine neue Folge von euch und wollte euch darauf hinweisen, dass wir hier einen eigenen Studiengang zur reinen Kybernetik namens Kybernetik haben. Kleine Korrektur …
Viele Grüße
Simon
Hallo Simon, Sind die alten Filme noch bekannt? Dark Star Scene – die Bombe – Science Fiction 1974
Naja, um genau zu sein heißt der Studiengang hier in Stuttgart **technische** Kybernetik. Da geht es um Kybernetik aber halt hauptsächlich aus technischer Schicht. Kleine Korrektur… 😉
Grüße aus Stuttgart
AJ
Kurzer Hinweis: hier ist der Link zum Talkbox Erklärvideo: https://youtu.be/h_L5v9OTSxc
Lieben Dank für die schöne Cyber-Folge 😊! Sehr spannend am operanten Konditionieren fand ich auch immer, dass intermittierende Pläne besonders gut funktionieren. Ein Verhalten wird also dann besonders löschungsresistent, wenn es nicht jedes Mal verstärkt wird. Am besten funktioniert es, wenn die Verstärkung ganz unregelmäßig ist. Dieses Phänomen kommt z.B. auch beim Glücksspiel zum Tragen und ist ein Ansatz um die Entwicklung von Spielsucht zu erklären. Seid lieb gegrüßt!
Ja, daran musste ich auch denken, als ich die Folge gehört habe, einmal habt ihr auch eine Frage gestellt, die in diese Richtung ging (offensichtlich ohne die Antwort zu kennen). Das ist nicht nur spannend, sondern wäre im Falle der Tauben tatsächlich wichtig gewesen, die entsprechend (also intermittierend) zu konditionieren. Wenn das nicht erfolgt, wird das Verhalten sonst viel schneller wieder gelöscht (d.h. wenn die Verstärkung nicht mehr eintritt, wird das Verhalten beendet). Und im Umkehrschluss liefert zufällige intermittierende Verstärkung das stabilste Verhalten. Es hilft, sich die Originalarbeiten anzusehen, dann versteht man es besser. Oder man stellt sich den Spieler vor, der vorm Automaten sitzt – nur wenn da ganz zufällig immer mal was ausgeworfen wird, bleibt er auch dabei, weil er es immer wieder versucht zu reproduzieren. Wenn dagegen jedes wie auch immer spezifische Verhalten (nichtzufällig) belohnt wird (zB eine bestimmte Tasten/Hebelkombination, oder jedes 10. Mal gibt es eine gleichbleibende Auszahlung), wird er schnell merken dass es sich finanziell nicht lohnt (oder der Automatenhersteller geht pleite, je nachdem …)
Zwei frühe Kybernetiker, die mich im Studium fasziniert haben: W. Ross Ashby und Valentino Braitenberg. Wenig bekannt, aber sehr originell und gut lesbar. Ashbys Homeostat ist quasi die Gegenperspektive zu Skinners Raketentaube: ein elektromechanischer Zielsucher, der tierhaftes Verhalten zeigt. War auch so eine Weltkriegssache. Und Braitenbergs Vehikel sind extrem einfache Maschinen, die solches Verhalten explizit modellieren. Ich hab die Dinger damals simuliert und Konditionierungsexperimente mit ihnen durchgeführt. Das tolle an dem ganzen Thema ist ja, dass da eine Art Theory of Everything entstanden ist, die über physikalische, biologische, psychologische und soziale Systeme hinweg die immer gleichen, fundamentalen Regeln beschreiben kann, nach denen sich diese Systeme verhalten. Ashby und Braitenberg waren da für mich wesentliche Türöffner.
Mir wurde vor 20jahren von einem tauben Züchter erklärt das zucht tauben nicht während des Fluges koten..wie das mit wandertauben war weiß ich leider nicht genau…
Dafür dann nach dem Flug vom Baum auf mein Auto…
Hallo Daniel, wie immer eine super Episode von dir. Ich habe sie gerade zu Ende gehört und bin sehr angetan.
Eine Kleinigkeit: du hast (wahrscheinlich unabsichtlich) „Control“ mehrfach mit „Kontrolle“ übersetzt. Das ist aber in diesem Zusammenhang häufig falsch. Typischerweise würde man allgemein „Steuerung“ sagen. Wenn man speziell sein will, dann kann man bei vorhandener Rückkopplung noch von „closed-loop control“ oder eben Regelung sprechen.
Kann man sagen, dass die Kybernetik der Versuch ist, die Control-Theory zu verallgemeinern? Es gab ja schon deutlich vorher technische und mathematische Anwendungen und Untersuchungen. Der Klassiker an den ich mich aus meiner Studienzeit erinnere war immer der Drehzahlregelung an der Dampfmaschine. Dazu hatte Maxwell auch ein bekanntes Paper geschrieben, in dem er das System mit Differentialgleichungen beschreibt (https://doi.org/10.1086/350788). Auch Ortskurven, Nyquistkriterium, PID-Regler, uvm. sind Dinge die ja schon am Anfang des 20. Jahrhundert beschrieben wurden.
Ich freue mich schon auf die nächste Folge!
Hallo alle,
Was für eine tolle Folge. Ich kam nicht umhin zu Schmunzeln als Richard sich um die Tauben in den Raketen sorgte und sagte, dass er froh sei, dass es nie soweit gekommen ist, weil es ja unmenschlich wäre – in Raketen, die immerhin auf Menschen geschossen werden 😀
Tolle Folge wie immer – Dankeschön!
etwas neben dem Thema: Was ich sehr lustig/interessant finde, ist die Vorstellung, dass es (ausser mir) noch Menschen gibt, die sich für Kybernetik interessieren. Ich kann sie im Internet (sonst) nicht finden.
Und etwas weniger tot als Kybernetik, aber auch am Aussterben scheinen mir Menschen, die B. Skinner (also nicht nur dem Namen nach) kennen. Die (wenigen!) Psychologen, die ich kenne, verwenden „Skinner“ und sein Behaviorismus als Schimpfwort.
Aber hier wurde ich wohl korrigiert, danke.
Hallo Rolf, Das Problem kenn ich. Man findet etwas hochinteressant und andere finden s langweilig. Bernhard Hassenstein kam auf die Idee darüber zu forschen.(aus : Erzählte Erfarung/Gottfreid Schramm) (1942-44 Funkstelle der deutschen Luftwaffe).
„Meine Funkstellen-Kameraden und die Nachrichtenhelferinnen, mit denen wir zusammenarbeiteten, waren dem wissenschaftsbeflissenen Sonderling, der ich war, niemals persönlich feindlich gesinnt, wehrten sich aber vielfach, so sehr ich auch darum warb, gegen die wissenschaftliche Benennung, Erklärung und Durchdringung des Geschehens in der Natur und im Menschen. „Wenn ich diesen Vogelgesang schön finde, will ich gar nicht wissen, zu welcher Art der Vogel gehört“. Ich musste lernen anzuerkennen, daß eine solche erkenntnisfeindliche Haltung nichts unedles sein muß – Christian Morgenstern hatte sie in dem wohl kürzesten deutschen Aphorismus formuliert: „Erklären entwertet“. Sein Gedicht „Das Auge Gottes“ beschreibt diese Geisteshaltung mit bestürzender Eindruckskraft.
Über das emotionale Ablehnen wissenschaftlichen Erklärens in bestimmten Lebensbereichen sammelte ich daraufhin Beobachtungen und beschrieb die Grundtendenz – ganz im Sinne der anthropologischen Gedankengänge von Konrad Lorenz- als in der menschlichen Natur verankertes „antikausales Werturteil“. Ich suchte und fand auch biologische Zusammenhänge, die der phylogenetischen Entstehung des antikausalen Wertens im Verlauf der Menschwerdung Vorschub geleistet haben könnten. Diese Erfahrungen und Überlegungen lehrten mich ein für allemal, Grenzen für die Wirksamkeit der naturwissenschaftlichen Erklärungsmethodik als, wie ich finde, tragische Mitgift der menschlichen Natur anzuerkennen und in meinen Initiativen zu berücksichtigen.
hihi, lieber Thomas, danke für die Hinweise auf Morgenstern. Und ja, ich weiss gut, dass andere anderes sehen. Hier hat mich ja gerade sehr überrascht, dass trotzdem von B. Skinner und der Kybernetik berichtet wird – auch wenn nur am Rande von Wandertauben 😉
Manchmal hatte ich beim Hören den Verdacht, diese Folge könnte ein Aprilscherz sein.
Tolle Folge, wie immer, bin großer Fan!
Hier war aber doch garkeine Werbung, oder teusche ich mich, wie am Ende erwähnt?
Beste Grüße
Vielen Dank an Daniel für diese Folge.
In Tübingen gibt es das Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik.
Eine Wurzel des Instituts reicht ins Jahr 1944. Bernhard Hassenstein wurde drei Jahre in einer Funkstelle der Luftwaffe in Glindow bei Potsdam als Horchfunker für den Wetterdienst eingesetzt.
aus: „Erzählte Erfahrung(Gottfried Schramm)
„Als 21jähriger lernte ich den in der benachbarten Funkstelle tätigen 19jährigen Werner Reichardt kennen, ich im Rang eines Obergefreiten, er im Rang des Soldaten. Wir erzählten und gegenseitig von unseren wissenschaftlichen Interessen. Er war gleich nach dem Abitur eingezogen worden, wollte Physik studieren und hatte auf diesem Gebiet sogar schon eine wissenschaftliche Veröffentlichung vorzuweisen, über elektrische Hohlrohrwellen. Wir beschlossen wenige Tage nach unserem Kennenlernen, nach dem Ende des Krieges etwas zu gründen, was es nach unserer Kenntnis damals noch nirgends gab, ein gemeinsames Institut für Physik und Biologie. Ich nehme vorweg: 15 Jahre später, am 1.April 1958, haben wir tatsächlich diesen Plan verwirklichen können und gemeinsam als 36- und 34jähriger die Forschungsgruppe Kybernetik am Max-Planck-Institut für Biologie in Tübingen ins Leben gerufen.“
Frage an Richard: Magst Du lieber Wurst- oder Käsebrot?
„Das Wirkungsquant oder: Die Verstärkertheorie“ Bernhard Hassenstein 1944
Ein Wirkungsquant fliegt durch das Dorf,
es sucht das Hirn des Herrn von Korf.
Es findet dort in dem Gewühl
ein ganz bestimmtes Molekül.
Von Korf ist grad in schwerer Not:
„Eß´Wurst- ich oder Käsebrot?“
Das Quant, das wirft sich in die Brust:
„Du glaubst, du willst! Allein: Du mußt!
Nie kannst die Freiheit du erringen.
Doch ich bin frei und kann dich zwingen!“
Elektron „9“ sprach: „Spring mich doch!“
Das Quant:“Ich überleg´mir´s noch.“
Dann hat durch es Elekton „8“
´nen akausalen Sprung gemacht.
Von Korf nahm daraufhin spontan
die Wurst und fing zu essen an
und nahm die Sache ganz im Stillen
dann als Beweis für freien Willen.
Dem Quant hat das den Rest gegeben:
Frei-Willig schied es aus dem Leben.
Es gab sogar Versuche, mit Brandsätzen versehene Fledermäuse, verstaut in bombenähnlichen Behältern, über feindlichen Flugzeughangars abzuwerfen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Fledermausbombe
Nun gab es auch noch den Ig Nobel Prize 2024 für die friedfertigen Tauben, die Raketen steuern sollten.
In the 1940s, psychologist B. F. Skinner undertook such experiments. He was awarded, posthumously, this year’s Ig Nobel peace prize.
Ig Nobel prizes, for research that „makes people laugh, then think“
Darüber sollten wir nachdenken.