GAG318: Der Nuklearunfall von Goiânia

Zwei Müllsammler finden in einem verlassenen Gebäude ein Gerät für Strahlentherapien. Sie nehmen es mit und verkaufen es an einen Schrotthändler: So beginnt im Herbst 1987 die Geschichte der bislang größten zivilen Nuklearkatastrophe.

Es werden zwar nur wenige Gramm des radioaktiven Caesium-Isotops 137 freigesetzt, doch die Auswirkungen sind gravierend: Vier Menschen sterben unmittelbar, nach dem Kontakt mit dem leicht blau leuchtenden Pulver, und 500 Menschen in Goiânia leiden noch heute unter den Folgen des Nuklearunfalls.

Vielen Dank an Florian Aigner, der uns in der Folge als Experte unterstützt und uns über radioaktive Strahlung aufklärt. Er ist auf Twitter zu finden und hat vor kurzem mit seinem neuen Buch eine Liebeserklärung an die Wissenschaft herausgebracht: „Die Schwerkraft ist kein Bauchgefühl“.

Der Abschlussbericht der IAEA ist hier veröffentlicht.

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20 Replies to “GAG318: Der Nuklearunfall von Goiânia”

  1. Julia Wagner

    Ihr springt zwischen drei Maßeinheiten unter denen ich mir nichts vorstellen kann, ich hätte es cool gefunden wenn ihr euch auf eine Einheit festgelegt und für diese verschiedene schweren der Belastung erklärt hättet. So finde ich es schwer mir etwas unter den verscheidenen Becquerel-, Gray- und Sievertwerten vorzustellen.

    Ich finde es unglaublich dass die Ärzte angeklagt und verurteilt wurden nachdem sie das Gerät mit einer Panzertüt gesichert hatten und das Gerät aus juristischen Gründen nicht aus dem Gebäude entfernen durften. Grade wenn weder der für den Verbleib des Geräts und die Sicherung seines Gebäudes verantwortliche neue Gebäudebesitzer, noch die Einbrecher die alle Sicherheitsmaßnahmen ausgehebelt haben, für das was sie angerichtet haben verantwortlich gemacht wurden.

    Trotzdem eine sehr interessante Folge über ein Ereignis das mir bisher unbekannt war, toll erzählt und aufbereitet, danke dass ihr euch jede Woche die Mühe macht uns mit Folgen zu versorgen 🙂

    • Mithrandir

      Es wurde doch ausführlich und wirklich toll erklärt, was die EInheiten bedeuten. Es ist nicht so einfach alles auf Sievert umzurechnen, auch das wurde erläutert.
      Also ich fand es wirklich ganz klasse, dass der Kollege Physiker das so gut, ausführlich und nachvollziehbar erklärt hat.
      Bei jedem Reaktorunfall wurde durch Becquerel Angaben Panik erzeugt ohne das in den Kontext zu setzen.
      Es wäre toll, wenn so eine erklärung bei Themen um radioaktivität immer mit angehängt würde.

  2. Benjamin

    Sehr kuriose, unterhaltsame Geschichte, hatte ich tatsächlich mal bei Wikipedia entdeckt und fande den folgenden zweiten Satz das Beste an der ganzen Story:
    Der Schrotthändler Ferreira erlitt eine Strahlendosis in Höhe von 7,0 Gray, überlebte jedoch. Er machte sich über die Situation lustig, forderte Geld für Fotografien und Interviews und führte sein Überleben auf seinen starken Bier- und Schnapskonsum zurück. Später heiratete er erneut. Er starb 1994.

  3. Dorian

    Spannende Folge! Hab tatsächlich von dem Goiânia-Ereignis noch nicht gehört, allerdings begegnet mir Cäsium-137 momentan oft, weil ich im Physikstudium im Kernphysik mit diesem Stoff umgehe. Etwa vermessen wir die Aktivität einer solchen Probe. Natürlich ist hier viel weniger Strahlung involviert, als die Leute damals abbekommen haben…

  4. andreas huemmer

    so selten sind derlei unfälle wohl nicht. hier ein beispieö aus russland aus dem jahr 1994: https://youtu.be/fxPlPEdGrdc
    und was den am ende erwähnten radioaktive hype anbelangt, so ist dieser korreliert, bzg. begründet in der entdeckung des radiums durch marie curie…radium zahnpasta, leuchtende zufferblätter, radium makeup…

  5. Viktoria

    Richard nennt die Phosphoreszenz von Radiumfarbe, allerdings handelt es sich dabei hauptsächlich um Fluoreszenz genau wie bei dem blauen Leuchten des Caesiums. Durch die radioaktive Strahlung des Caesiums werden die Moleküle in der Luft angeregt und beim Abregen senden sie Photonen aus, die in diesem Fall als blaues Licht sichtbar sind. Dieses blaue Leuchten sieht man auch, wenn man die Luft anderweitig anregt, z.B. in dem man Strom durch Luft leitet (Blitze). Die Farbe nennt sich auch „electric blue“. Das gleiche Prinzip macht man sich bei Neonlampen oder Xenonlicht zu Nutze, nur eben mit Neon und Xenon statt mit Luft.

  6. Oliver Hecker

    Vielen Dank an Euch für diese interessante und aufschlussreiche Episode, wie immer, ein Genuss.
    Dem Buchtipp werde ich gerne folgen, ich kenne eine „stärkere“ Aussage bzgl. der Gravitation, weiß aber nicht, vom wem sie in dieser oder ähnlicher Form stammt: „Gravity is not an option, it‘s the law“.

  7. Heiko von Thaden

    Als fleißiger „Berufsdemonstrant“ war ich sehr in der Anti-AKW Bewegung aktiv und besuchte auch Brokdorf ein paar Mal. Der Unfall in Tschernobyl bracht mich auch auf die Beine.
    Vor der Anwendung im medizinischen Bereich hatte ich durchaus Respekt. Aber eine Gefahr außer für die behandelnde Person hatte ich mir nie vorgestellt. Als Gewerkschafter der IG Metall sah ich eher die Gefahr bei den in der Industrie verwendeten Stoffen wie ZB Asbest.

    Vielen Dank für die Geschichte eher aus der Gegenwart.

  8. Marion

    Wieder eine super Folge und äußerst interessant!
    Ich bin großer Fan und habe bisher ausnahmslos alle Folgen angehört.

    Diesmal habe ich eine kleine Korrektur anzubringen: Florian Aigner sagt am Ende seiner ersten Sequenz „Protonen“ statt „Neutronen“, wenn es darum geht, den Unterschied zw. den Isotopen Cs-133 und Cs-137 zu erklären.
    Cs-137 hat 4 Neutronen mehr!

    Vielen Dank für euren tollen Podcast! Weiter so!

  9. Jan

    Super spannende Folge!

    Cäsium-137 hat laut Wikipedia eine Halbwertszeit von rund 30 Jahren. Wie lange soll denn, laut den brasilianischen Behörden, das abegtragene Haldenmaterial abklingen, bis es keine Gefahr mehr darstellt? Ich hoffe, dass halbwegs moderne Standards eingehalten wurden beim Abtragen und Aufschütten des kontaminierten Materials auf der Halde, sonst versickert das alles trotzdem weiter ins Grundwasser…

  10. Mathias

    Wirklich interessante Folge. Und wieder wundert man sich, warum man vorher noch nichts davon gehört hatte!
    Aber warum sprecht Ihr so betont von „zivilem“ Unfall. Auch Tschernobyl und Fukushima waren „zivil“ und nicht militärisch. Als Gegensatz zu „staatlich“, wenn das der Punkt sein soll, taugt „zivil“ nicht, finde ich.
    Zum Punkt, ob das wieder passieren könnte:
    Ich nehme an, dass die Diebe in Brasilien nicht so gebildet waren, aber an anderen Orten sollte doch selbst einem Dieb das Warnzeichen für Radioaktivität auffallen, das sicher irgendwo auf dem Gerät angebracht war, und nicht weiter versuchen, daran herumzubasteln, oder?

  11. Alexander

    Spannende Geschichte, die auf den ersten Blick recht „kleinteilig“ wirkte – aber wenn man dann die Dimensionen der Verbreitung des Cäsiums vor Augen hat, ahnt man, warum es recht und würdig war, daraus eine Folge zu machen. Was mich ein wenig irritiert hat: Wenn doch das Gebäude sogar durch einen Wachmann – der zum Diebstahlszeitpunkt nicht da war – gesichert war, war doch offenbar klar, wie schützenswert das Gebäude und sein Inhalt waren. Warum hat von den Besitzern bzw. der Wachmannschaft niemand Alarm geschlagen, als der Einbruch bemerkt wurde? Große Klammer drum: Wunderbarer Podcast mit immer wieder überraschenden, spannend und anschaulich aufbereiteten Themen!

  12. Jeremy H.

    Tolle Folge! Kleiner Hinweis, da ich selbst in einer Strahlentherapie tätig bin: die modernen „Bestrahlungsgeräte“, mit denen man Patienten behandelt, sind Linearbeschleuniger, d.h. die Strahlung wird (am ehesten vergleichbar mit einer einfachen Röntgenröhre) durch Beschleunigung und Abbremsen von Elektronen erzeugt und nicht durch radioaktives Material. Bei den meisten Geräten muss man sich also um solche Diebstähle zumindest in dem Ausmaß keine Sorgen mehr machen. 🙂

    Für Kurzdistanztherapie (radioaktive Quellen mit eher geringer Strahlenreichweite werden in oder in der Nähe des Körpers eingesetzt) wird jedoch weiter radioaktives Material wie Iridium verwendet.
    Beste Grüße und weiter so!

  13. Orakel

    Die Geschichte ist wirklich erstaunlich, so wie sie passiert ist.
    Nur frage ich mich jetzt, wo ich sie das erste mal gehört habe, weil ich bis jetzt mit dem Finger auf euch gezeigt hätte und da hat mir jetzt diese Folge gerade den Teppich der Sicherheit unter den Füßen weggezogen.

    Aber wie da oben schon steht: Was ist der Unterschied zwischen „Zivil“ und Tschernobil?
    Oder unterscheidet man da zwischen Energie-Wirtschaftlich und Zivil? (Eine Klinik hat ja an sich nichts mit der Energiewirtschaft zu tun, wenn sie auf radioaktive Isotope zurückgreift.)

  14. Thomas Riegler

    Hi,
    tolle Geschichte … aber wie viel Gramm waren es jetzt?
    Am Anfang sind es 93g, wie auch beim Post auf Facebook oder Spektrum.de und am Ende der Geschichte nur mehr 19g? Oder habe ich mich da verhört?
    LG Thomas

  15. Lea Hoffmeister

    Um euren darüber grübelnden, früheren Ichs Ruhe zu verschaffen: Die Radon Girls habt ihr in Folge 227 über Henrietta Lacks erwähnt, die höre ich immer wieder und hab sie auch schon als Inspiration für eine Teamfortbildung genutzt (natürlich mit ordentlich Werbung für euren Podcast!).
    Zu Strahlung und Medizin:
    Schlagt bei Wikipedia mal Therac-25 nach, da hat ein Linearbeschleuniger mit Softwarefehler mehrere Menschen das Leben gekostet.

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